der Wind, der hier weht in der Seestrasse, das ist ganz oft so : Menschen kommen hier irgendwoher und gehen irgendwohin. Vielleicht liegt es an der Nähe zum Bahnhof, vielleicht liegt es an der Hochsaison. Diese Strasse muss man sehr oft und sehr lange beobachten, dass man Gewohnheiten sehen kann, es ist ein ganz großes Kommen und Gehen von rechts links oben unten. Es gibt Wiederholungen, zum Beispiel jeden Dienstag morgen kommt der große LKw mit der Getränkelieferung für die Seniorenwohnanlage.
Vor dem Fenster im Atelier fällt von morgens bis abends der Satz in der Saison: ah Villa Windschief und es ist ein Haltepunkt bei den Stadtführungen. Es gibt eine kleine Tiefgarage kurz vor dem Eingang zum Stadtgarten, es wird oft sehr schnell hier entlanggebrettert und es gibt anscheinend immer mehr Parkplätze in dieser Tiefgarage. Wenn ich Geschichten höre von alten Menschen,wie sie davon erzählen, früher als sie Kind waren haben sie mit Puppenwägen hier auf der Seestrasse gespielt und sich getroffen, es kommt mir vor als redeten sie von der Steinzeit.
Langsam gehen Menschen hier wenn sie eine Eistüte in der Hand haben.
Auf der anderen Seite wurde mal ein sehr altes Haus verkauft, so ungefähr zur selben Zeit wie wir damals Nr.4a gekauft haben. Ein bisschen später. Auch von einer Urradolfzellerin, sehr alt und die Tochter hat den Kauf wohl abgewickelt und sie hatte einen Sohn ungefähr ich sag mal 1.Klasse, 7 Jahre vielleicht. Oder 8.
Keine normale Großmutter, keine normale Mutter, kein normaler Sohn. Nicht unsymphatisch aber man sah sie zu oft hinter dem Münster. Die Nachbarschaft redete viel über dieses Haus und wie es nun anscheinand für nen Appel und n Ei verkauft wurde.
Wir waren sehr beschäft mit unserer eigenen Baustelle und haben uns Zeit gelassen, ausgiebig den Abriss innen zelibriert, bis fast keine Wände mehr zur Verfügung standen und Löcher für Fenster und Fliesen weg und alles weg und raus und unsere Tochter meinte sie könne es sich in Glaswolle gemütlich machen. Im Dachgeschoss waren nur Ziegel und innen reingewachsenes Efeu und es war eine sooo sagenhafte Baustelle. Es entstand etwas sehr schönes neues sehr gemütlich aber Abriss ist eigentlich das noch viel Schönere weil dann ist halt noch alles möglich.
Den Weg von Seestrasse zu toom Baumarkt kannten wir blind es war eine Zeit auch von sovielen Geschichten von Menschen, wie früher es hier war, wie an Holzbalken Rollschuhe gebunden wurden und in Häuser geschaftt und wie kleine Kabüffchen von Häusern auf den Nachbarn übergegangen sind beim verlorenen Kartenspiel, so witzige Geschichten!!
Die Zeit von Abriss aber nur innen, war irgendwann zu Ende und alles wurde glatter und schöner und weißer. Da wurde ein Lehmofen gebaut, wo einfach so ein Klotz Erde angeliefert wurde mitten vor dem Haus und das Haus von Wolfgang, es ging nochmal ganz anders einher. Es war ein Abriss von Allem!!
Es hat lang gedauert, bis ich ihn überhaupt mal zum ersten Mal in dieser Baustelle erkannt hab. Ich glaube, wir waren schon eingezogen. Aber ich war auch sehr beschäftigt mit diesem eigenen Umzug. Das war keine normale Baustelle! Wenn Du das Wort Baustelle liest, vergiss alles, was Du je gesehen hast.
Das war ein Zustand.
Das war ein Abriss von Allem. Und unten links hinten zur alten Stadtmauer hin hat er sich ein Mini kleines Zimmer geschaffen mit einem mini kleinen Bett einem Waschbecken, Radio und einem kleinen Tisch mit der Bibel darauf.
Keine Ahnung, wo er auf die Toilette ging, vielleicht im Stadtmuseum. Er hatte immer dasselbe an und er hatte immer einer dieser braunen Zigaretten, die keine sind, im Mund. Er war steinalt. Er war das.
Er fuhr ein Auto, solche Autos gibt es heute nicht mehr obweohl es erst 15 Jahre her ist. Draußen vor seinem Haus hatte er eine kleine Außenbeleuchtung mit einem roten Licht, es war so ein göttliches Bild diese Baustelle. Teile von dem Haus immer mit Plane angedeckt, er wie er mit diesem Auto bleischwere Säcke mit irgendwas reinschaffte. Manchmal einzelne Helfer für irgendwas, alles ging langsam und er war immer da. Nie, nie kein einziges Mal hat man diesen Menschen woanders getroffen. Ich hab Wolfgang nie beim Bäcker gesehen, beim Bauernmarkt,bei der Post, nie nirgends er war eine Erscheinung, ein Zustand, ein, früher habe ich immer so gedacht: ja es gibt Baustellen, es gibt Handwerker, es gibt Kategorien, es gibt ja Meister, die sind in der Regel schon hoch verfeinert und dann haben sie ihre Handlanger. Ich kannte die Baustellen von früher, wie ich meine Stadt kennenlernte, Schrauben sortierte, die die war, die halt die kleine Tochter war,die halt das Radio getragen hat,alsKind sind das alles für einen Welten, da kann man sovieles Schönes erleben und in Häusern sein,es sind ja alles Deine Freunde wenn du ein guter Handwerker bist und sie brauchen dich und sind froh, dass du samstags abends zu ihnen in die Eichhornstrasse kommst. Da tritt man durch Tore in Welten und erlebt etwas anderes einfach. Sie haben es immer alle gerockt, 80er Jahre sowieso, das Leben war intensiv und heiss und alles was war, geschah in so einer hohen Insensität, die Hochzeit der Freunde,alles, es war alles immer ein Beben, ein Drama auch.
Das ist auch so ein krasser Unterschied zwischen starken und schwachen Familien: der Unterschied ist auch, da kommt alles wieder in ein normales Maß zurück, in eine Mitte und vielleicht knallt es erst gar nicht alles so hoch obenraus.
Es war ein Übermaß von LIebe von die haben auch alle so gearbeitet aber man konnte noch eine Grenze erkennen und dieser Wolfgang, der war das ohne eine irgendeine Grenze so absolut das nur, ich weiß gar nicht, ob das überhaupt ein Handwerker war, eigentlich schon, ich stand immer so am Fenster und halt mit den Monaten dann dieses Haus hatte irgendwann Fenster und ein Dach und es ging schon voran. Dann stand mal ein altes kleines Holzbänkchen für Kinder vor seiner Haustür. Einfach so.All das war er einfach so.
Er immer mittendrin, ich hab noch niemals einen Menschen gesehen, der so sehr, das war. Das war nicht von dieser Welt.
Es hat so sehr in diese Zeit gepasst, und wenn ich dann mit meiner Tochter so an seinem Haus, seiner Baustelle vorkam, wenn der geredet hat, ich hab kein Wort verstanden.
Das war so eine reinste Erscheinung und auch so eine Herzensfreude sowas zu erleben zu beobachten. Nebenan ein Haus, in absolutem Gegenteil, ganz zauberhafte alte Menschen aber wo immer die Fensterrahmen absaugen mit einem Pinsel dazu und alles wirklich unglaublich sauber und schön ist. Mit ihrer lustigen Schildkröte, die Kunststücke kann und sie kennen auch soviele Geschichten von früher. Aber ich denke, so eine Baustelle in ihrer unmittelbaren Nähe war schon krass. Später wurde Nr.4 zur Großbaustelle, einmal hat man die Tür aufgemacht und die Treppe war weg. Auch großartige Handwerker, unter der Geburt von meiner zweiten Tochter haben sie sofort Ferierabend gemacht als sie es gehört haben, noch bevor ich auf ho tönen musste richtig früh eigentlich, richtig nett und vorausschauend. Das war auch eine Baustelle, Junge Junge, alter Schwede, hey wie sie im Buche stehe. Heilige Maria.
Es verging eine Zeit und Wolfgang baute drüben gerade sein Garagentor (jedes Haus in der Seestrasse hat das Auto bzw. die Garage im Haus drin weil es keine Keller gibt), er hat glaub jeden Holzbalken, den er abgerissen hat für irgendwas anderes wieder verwendet. Es ist ein total schönes Tor geworden, 12 Bretter nebeneinander und in einem ist ein Spalt wo die Briefträgerin die Post, noch heutzutage, einwerfen kann.
Der Junge war eigentlich immer am nachmittag nach der Schule bei ihm, Wolfgang hat ihm einen gelben Helm geschenkt und so waren sie irgendwann zu zweit und man hatte immer das Gefühl jetzt war jeder weniger allein. Er nannte ihn da capo.
Da capo und Wolfgang fingen gerade an dieses Garagentor zu streichen in einem sehr schönen blau, da fuhr ein Stuttgarter Kleinlaster die Straße rein, beladen mit Möbeln, ich hatte den Eindruck von jemanden, der gerade ein englischen Antiquitäten Geschäft überfallen haben musste. Eine Frau passend dazu.
Das Garagentor blieb eine Weile so halbfertig gestrichen, da capo, dieser 7 oder 8 jährige Junge mit dem gelben Bauhelm war einfach weg.
An einem Vormittag hat die Antiquitäten Frau von Wolfgang das Garagentor fertig gestichen. Der Farbeimer stand auf einer Zeitung und sie wechselte in regelmäßigen Abständen ihre Handschuhe. Sie hat sich sehr viel Mühe gegeben.
Die Eigentümer von diesem Haus haben nun schon mindestens viermal gewechselt. Keine auffallenden Menschen, keine unsypmphatischen Menschen, auch alles solche Menschen wie heutzutage, man läuft zum Abend an ihrem Haus vorbei. Sie kehren und schieben, zupfen und gießen und behaupten, ach jedes Jahr dieselbe Arbeit mit dem Olivenbaum (Wolfgang hat ihn dagelassen). Zupfen und schieben den schweren Kübel ein bisschen nach links, ein bisschen nach rechts. Ach, aber schön ist es hier!!! Wir geniessen jedes einzelne Jahr hier! Der See und die tollen Schwäne, die sagenhafte Luft, das Hausherrenfest, die Landschaft, die Berge huibuh! Es ist fantastisch hier zu leben. Nun denn, auf wiedersehen, schönen Urlaub noch!! Simone: gleichfalls.
So lernt man immer seine neuen Nachbarn kennen. So ist auch diese Zeit, in der wir heute leben. Obwohl Menschen haben schon immer gern so getan, als ob.
da capo
Wolfgang
das war nicht von dieser Welt. Sowas kann man nur einmal erleben. Eigentlich kann man gar nicht richtig gescheit darüber schreiben, das war so eine komplett andere Zeit und trotzdem manchmal läuft zwischen all den Menschen, die hier kommen und gehen Richtung Bahnhof noch so ein Junge für mich mit einem gelben Bauhelm. Das ist alles diese Seestrasse.
Bunte Grüße und fühl Dich manchmal auch nur wie eine Touristin,
Simone