Es ist nicht das Leben, das von Bedeutung ist. Es ist der Mut, den du dafür aufbringst.

Mit Susanne habe ich einen Termin zur Bauchbemalung im Hochsommer gehabt, sie hat in der Hebammenpraxis Sabine Friese-Berg davon gehört. Sie wohnte auch in Konstanz Litzelstetten, da ich überzeugt davon war ihre Strasse ist unten am See lief ich mit meinem Farbenkoffer den Berg hinunter, suchte sie aber vergeblich. Am Handy hat sie mir dann erklärt sie wohnt oben am Berg, sie hatte ein lila Festnetztelefon womit sie mir draußen den Weg erklärte und solang wie das Kabel reichte nach mir ausschau hielt. So kam ich mit Verspätung leicht außer Atem bei ihr an, wir umarmten uns und lachten erst mal ganz herzlich im Hof von diesem alten Bauernhaus mit viel Garten. Eine schmale Holztreppe führte in ihre Wohnung hoch. Unten wohnten die Vermieter, unterm Dach Susanne: viele Schuhe vor der Tür, viele Umzugskartons hier da und überall. Das Lachen von Susanne hier da und überall. Wir setzten uns am Esstisch neben dem Fenster zusammen, bei Tee, Keksen, runtergebrannten Kerzen,Zeitungsstapel und zwischen all diesen Kartons und einem Bild von Leonardo da Vinci. Wir unterhielten uns über Litzelstetten, die Spielplätze, Aussichtspunkte, Berge und den See. Es gab eigentlich Oberdorf und Unterdorf. Vieles auf das ich nichts zu sagen wusste aber das auch nicht wichtig war. Viele Gedanken und Sorgen, wie alles wird mit dem Umzug, mit dem Baby .Viel Schweigen.Viel Lächeln. Auf der Kommode glitzerte ein schöner kleiner Schmetterling in der Sonne. Ich glaube es war ein Anhänger, Susanne erzählte von ihrem Lieblingssymbol dem Schmetterling und warum das so war und dann war sie da ihre Geschichte. Ihre Liebe zu Falk. Sie waren einige Jahre ein Paar, reisten sehr viel zusammen nach Indien, immer so, dass sie von Tag zu Tag ein Teil aus ihrem Rucksack verschenkten oder tauschten was sie nicht mehr brauchten. Alles mögliche, auch getragene Klamotten, dass sie immer nur noch mit dem, was sie gerade an hatten zurückkamen. Und so brachte sie auch immer dies und das von ihren Reisen mit, wie diesen Schmetterling. Nach einer Rückreise erhielt Falk die Diagnose Krebs. Er ließ sich nicht behandeln. Sie machten viele Spaziergänge oben im Oberdorf bei den Bäumen und Wiesen. Wegen seinen Eltern, die Ärzte sind ließ er sich irgendwann doch noch behandeln, Susanne saß neben ihm und sagte ihm bei den Infusionen, dass nun ganz viel Liebe in ihn fließt. Sie hörten viel Musik. Es flossen viele Tränen, ich sah viel aus dem Fenster, auf Susannes Hände und in ihre blauen hellen Augen. Sie erzählte viele kleine Geschichten mit Falk immer mit diesem Lachen, was so herzlich und warm war genauso wie sie über ihren großen runden Bauch strich. Herzlich, warm intensiv, voller Willkommenheißen und auch Trauer Schmerz und Freude. Sie wollte wegziehen um neu zu beginnen, in die Nähe zu ihren Freunden und ihrer Familie, die schon das Kinderzimmer in ihrer neuen Wohnung strichen. Falk starb zuhause in ihrem Bett bei Nacht, sie wich keine Sekunde von seiner Seite und flog mit seiner Asche nach Indien. Als sie schon schwanger war aber nicht von Falk sondern von einem anderen Mann, den sie schon viele Jahre kannte und liebte, der in einer anderen Stadt wohnte mit einer anderen Frau zusammen war und mit dem sie früher mal ein Paar war. Immer wenn sie sich trafen liebten sie sich. Auch wenn Jahre dawischen vergingen. Sie rief ihn an als Falk gestorben war und drei Stunden später war sie in seinem Arm. Sie ist von ihm schwanger geworden obwohl sie gerade ihre Tage hatte und voller Trauer um Falk war. Als sie den positiven Schwangerschaftstest sah wusste sie nicht was sie denken sollte.

Es gibt soviele Gründe, warum wir Frauen schwanger werden oder auch nicht schwanger werden und es ist gut, dass wir sie nicht alle verstehen können.

Soviel Liebe und Schmerz, soviel Vertrauen in das was ist und sein wird, Lachen, Mut und Lebensfreude. Wir redeten auch später bei unseren Treffen oft über den Tod und wie Falk die Sache sah. Der Beginn und das Ende unseres Lebens ist faszinierend und beängstigend zu gleich. Was sicher ist, beides ist mit unendlich tiefen Gefühlen verbunden. Weil es Übergänge von einer Welt in die andere sind.

Susanne wollte einen Schmetterling, einen lustigen leichten frohen Schmetterling auf dem Bauch, wir haben ihn im Bett gemalt mit seiner Lieblingsmusik. Wir machten dann einen Spaziergang zum See und lachten viel. Soviel Schönheit und Schmerz. Soviel Liebe zum Leben und allem was ist. Ich bin bis heute ganz tief beeindruckt von all unseren Begegnungen und es war ein Tag von unserer Bauchbemalung, die mich tief berührt hat. Ich durfte noch viele Jahre an Susannes Leben teilhaben, an den chaotischen Momenten zwischen Baby füttern, Lernen für ihr Studium und Windeln wechseln, durchgequatschte Nächte, spontane Besuche bei mir zuhause inmitten von meinen eigenen Umzügen, Spaziergänge mit ihrer süßen Tochter, Geschichten aus unserem Leben und immer ganz viel Lachen. Danke, keine anderer Mensch in meinem Leben kann meine Gedanken so gut aufmischen wie du. Ich denke immer, also irgendwie hat dieses Kind zwei Väter. Und das ist voll gut so.

Susanne wurde nochmal schwanger und nochmal und alle zusammen leben heute mit dem Vater dieser Kinder zusammen in einem großen urgemütlichen Haus mit Katzen, Garten, unglaublich viel liebenswertem Chaos, ganz viel Lachen Liebe und einer Intensität an Gefühlen, die man schon im Zuschauen kaum aushalten kann. Dein Leben ging so wunderbar weiter und deine Kinder sind so zauberhaft Susanne. Mit deiner unbändigen Kraft, Liebe und Freude zum Leben hast du mir immer sehr viel Mut und Lust gemacht für mein eigenes Leben. Von Herzen danke, danke dass ich deine Geschichte erzählen darf, ich hoffe sie zeigt euch, wie vielfältig, wie reich, tief, feinsinnig, warm, zauberhaft und wunderbar der Beginn des Lebens ist. Auch wenn vielleicht alles anders gekommen ist, als man sich das mit dem Schwangerwerden so vorgestellt hat. Vielleicht sind die Wege der Liebe einfach chaotisch. Vielleicht folgen sie einfach nur ihrer eigenen Ordnung.

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